Was denken Sie über Ihr Bewusstsein?

396 was denken sie ueber ihr bewusstseinUnter Philosophen und Theologen wird es als das Geist-Körper-Problem (auch Leib-Seele- Problem) bezeichnet. Es geht nicht um ein Problem der feinmotorischen Koordination (wie dem schluckweisen Trinken aus einer Tasse, ohne etwas zu verschütten oder den Fehlwürfen beim Dartspiel). Stattdessen geht es um die Frage, ob unsere Körper physisch und unsere Gedanken geistiger Natur sind; oder anders gefragt, ob Menschen rein physisch oder eine Kombination von Physischem und Geistigem sind.

Obwohl die Bibel das Geist-Körper-Problem nicht direkt anspricht, enthält sie deutliche Hin- weise auf eine nichtphysische Seite der menschlichen Existenz und unterscheidet (in neutestamentlicher Terminologie) zwischen Körper (Leib, Fleisch) und Seele (Denkvermögen, Geist). Und obwohl die Bibel nicht erklärt, wie Leib und Seele zusammenhängen oder wie sie genau interagieren, trennt sie beides nicht oder stellt sie als austauschbar dar und niemals wird die Seele auf das Leibliche reduziert. Mehrere Stellen weisen auf einen einzigartigen „Geist“ in uns hin und zeigen eine Verbindung zum Heiligen Geist auf, die uns nahelegt, dass wir eine persönliche Beziehung mit Gott haben können (Römer 8,16 und 1. Korinther 2,11).

Bei der Betrachtung des Geist-Körper-Problems ist es wichtig, dass wir mit einer grundlegenden Lehre der Schrift beginnen: Es gäbe keine Menschen und sie würden nicht sein, was sie sind, jenseits einer bestehenden, fortwährenden Beziehung mit dem transzendenten Schöpfergott, der alle Dinge geschaffen hat und ihre Existenz aufrechterhält. Die Schöpfung (ein- schliesslich der Menschen) würde nicht existieren, wenn Gott von ihr ganz und gar getrennt wäre. Die Schöpfung hat sich nicht selbst hervorgebracht und hält ihre Existenz nicht selbst aufrecht – nur Gott existiert in sich selbst (Theologen sprechen hier von Gottes Aseität). Die Existenz aller geschaffenen Dinge ist ein Geschenk des aus sich selbst existierenden Gottes.

Im Gegensatz zum biblischen Zeugnis behaupten manche, dass Menschen nichts weiter sind als materielle Wesen. Diese Behauptung löst folgende Frage aus: Wie kann etwas so Immaterielles, wie das menschliche Bewusstsein, überhaupt durch etwas so Bewusstloses wie physischer Materie entstehen? Eine sachverwandte Frage ist: Warum gibt es überhaupt eine Wahrnehmung sensorischer Informationen? Diese Fragen lösen weitere Fragen aus, ob das Bewusstsein bloss eine Illusion ist oder gibt es einen (wenn auch nicht-physischen) Bestandteil, der zwar mit dem materiellen Gehirn in Verbindung steht, jedoch unterschieden werden muss.

Fast alle stimmen darüber ein, dass Menschen ein Bewusstsein haben (eine innere Gedankenwelt mit Bildern, Wahrnehmungen und Gefühlen) – das allgemein als Denkvermögen bezeichnet wird und das uns so real ist, wie das Bedürfnis nach Nahrung und Schlaf. Allerdings gibt es keine Übereinkunft hinsichtlich der Natur und Ursache unseres Bewusstseins/Denkvermögens. Materialisten betrachten es ausschliesslich als Ergebnis der elektrochemischen Aktivität des physischen Gehirns. Nicht-Materialisten (einschliesslich Christen) sehen in ihm ein immaterielles Phänomen, das nicht mit dem physischen Gehirn identisch ist.

Die Spekulationen über das Bewusstsein teilen sich in zwei Hauptkategorien. Die erste Kategorie ist der Physikalismus (Materialismus). Dieser lehrt, dass es keine unsichtbare geistige Welt gibt. Die andere Kategorie nennt man Parallel-Dualismus, womit gelehrt wird, dass das Denk- vermögen eine nicht-physische Charakteristik haben kann oder völlig nicht-physisch ist, so dass es deshalb auch nicht mit rein physischen Ausdrücken erklärt werden kann. Der Parallel- Dualismus betrachtet das Gehirn und das Denkvermögen als wechselwirkend und parallel arbeitend – wenn das Gehirn verletzt ist, kann die Fähigkeit des logischen Denkens beeinträchtigt sein. Ebenso ist als Folge die parallel bestehende Wechselwirkung davon betroffen.

Im Fall des Parallel-Dualismus wird beim Menschen der Ausdruck Dualismus zur Unterscheidung zwischen beobachtbarer und nicht-beobachtbarer Wechselwirkung zwischen Gehirn und Denkvermögen verwendet. Die bewussten mentalen Vorgänge, die in jedem Menschen individuell ablaufen, sind privater Natur und für Aussenstehende nicht zugänglich. Eine andere Person kann unsere Hand zu fassen bekommen, aber sie kann nicht unsere privaten Gedanken in Erfahrung bringen (und meistens ist es uns ganz lieb, dass Gott es so eingerichtet hat!). Darüber hinaus sind gewisse menschliche Ideale, die wir in unserem Innern hegen, nicht auf materielle Faktoren reduzierbar. Zu den Idealen zählen Liebe, Gerechtigkeit, Vergebung, Freude, Barmherzigkeit, Gnade, Hoffnung, Schönheit, Wahrheit, Güte, Frieden, menschliches Handeln und Verantwortung – diese geben dem Leben Ziel und Bedeutung. Eine Bibelstelle sagt uns, dass alle guten Gaben von Gott kommen (Jakobus 1,17). Könnte uns dies die Existenz dieser Ideale und Fürsorglichkeit unserer menschlichen Natur erklären – als Geschenke Gottes an die Menschheit?

Als Christen verweisen wir auf die unerforschlichen Aktivitäten und den Einfluss Gottes in der Welt; das schliesst sein Handeln durch geschaffene Dinge (natürliche Wirkung) oder direkter sein Handeln durch den Heiligen Geist ein. Da der Heilige Geist unsichtbar ist, ist sein Werk nicht messbar. Doch sein Wirken geschieht in der materiellen Welt. Seine Werke sind nicht vorhersagbar und nicht auf empirisch nachvollziehbare Ursache-Wirkungs-Ketten reduzierbar. Diese Werke schliessen nicht nur Gottes Schöpfung als solches ein, sondern ebenso die Menschwerdung, Auferstehung, Himmelfahrt, die Sendung des Heiligen Geistes und die zu erwartende Wiederkunft Jesu Christi zur Vollendung des Reiches Gottes sowie die Errichtung des neuen Himmels und der neuen Erde.

Zurück zum Geist-Körper-Problem: Materialisten behaupten, Denkvermögen könne physikalisch erklärt werden. Diese Sichtweise eröffnet die Möglichkeit, wenn auch nicht Notwendigkeit, den Verstand künstlich zu reproduzieren. Seitdem der Ausdruck „Künstliche Intelligenz“ (KI) geprägt wurde, ist KI ein Thema, das von Computer-Entwicklern und Science-Fiction-Autoren optimistisch gesehen wird. Im Laufe der Jahre wurde KI zu einem wesentlichen Teil unserer Technologie. Algorithmen werden für alle Arten von Geräten und Maschinen programmiert, von Handys bis zu Automobilen. Die Soft- und Hardware-Entwicklung hat derart Fortschritte gemacht, dass Maschinen bei Spiele-Experimenten über Menschen siegten. Im Jahr 1997 schlug der IBM-Computer Deep Blue den amtierenden Schach-Weltmeister Garry Kasparov. Kasparov beschuldigte IBM des Betruges und verlangte Revanche. Ich wünschte, IBM hätte nicht abgelehnt, aber man entschied, dass die Maschine hart genug gearbeitet hätte und schickte Deep Blue einfach in den Ruhestand. Im Jahr 2011 veranstaltete die Jeopardyuiz-Show ein Spiel zwischen IBMs Watson Computer und den beiden besten Jeopardy-Spielern. (Statt Fragen zu beantworten, sollen die Spieler blitzschnell die Fragen zu vorgegebenen Antworten formulieren.) Die Spieler verloren mit grossem Abstand. Ich kann nur anmerken (und das ist ironisch gemeint), dass Watson, der nur so funktionierte, wozu er konstruiert und programmiert wurde, sich nicht gefreut hat; sehr wohl aber die KI-Soft- und Hardware-Ingenieure. Das sollte uns doch etwas sagen!

Materialisten behaupten, dass es keinen empirischen Beweis dafür gibt, dass Geist und Körper voneinander getrennt und verschiedenartig sind. Sie argumentieren, dass das Gehirn und das Bewusstsein identisch sind und dass der Geist auf irgendeine Weise aus den Quantenprozessen des Gehirns entsteht oder aus der Komplexität der im Gehirn ablaufenden Prozesse hervor- geht. Einer der sogenannten „zornigen Atheisten“, Daniel Dennett, geht sogar noch weiter und behauptet, das Bewusstsein sei eine Illusion. Der christliche Apologet Greg Koukl weist auf den fundamentalen Fehler in Dennetts Argumentation hin:

Wenn es kein wirkliches Bewusstsein gäbe, so gäbe es auch keine Möglichkeit überhaupt wahrzunehmen, dass es lediglich eine Illusion sei. Wenn das Bewusstsein erforderlich ist, eine Illusion wahrzunehmen, dann kann es selbst keine Illusion sein. Genauso müsste man in der Lage sein, beide Welten, die reale und die illusorische, wahrnehmen zu können, um zu erkennen, dass es einen Unterschied zwischen den beiden gibt, und folglich die illusorische Welt identifizieren können. Wenn die gesamte Wahrnehmung eine Illusion wäre, würde man sie als solche nicht erkennen können.

Durch materielle (empirische) Methoden kann man Immaterielles nicht entdecken. Feststellbar sind nur materielle Phänomene, die beobachtbar, messbar, nachweisbar und wiederholbar sind. Wenn es nur Dinge gibt, die empirisch nachweisbar sind, dann kann nicht existieren, was einmalig (nicht wiederholbar) war. Und wenn dies der Fall ist, dann kann Geschichte, die aus einmaligen, nicht wiederholbaren Folgen von Ereignissen ablief, nicht existieren! Das mag bequem sein und für so manchen ist es eine willkürliche Erklärung dafür, dass es nur solche Dinge gibt, die durch eine spezielle und bevorzugte Methode nachgewiesen werden können. Kurz gesagt, es gibt keine Möglichkeit empirisch nachzuweisen, dass nur empirisch nachweisbare/materielle Dinge existieren! Es ist unlogisch, die gesamte Realität auf allein das zu reduzieren, was durch diese eine Methode entdeckt werden kann. Diese Ansicht wird manchmal als Scientismus bezeichnet.

Dies ist ein grosses Thema und ich habe nur die Oberfläche angekratzt, aber es ist auch ein wichtiges Thema – beachten Sie Jesu Bemerkung: „Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können“ (Matthäus 10,28). Jesus war kein Materialist – er unterschied klar zwischen dem physischen Körper (wozu auch das Gehirn gehört) und einer im- materiellen Komponente unseres Menschseins, welche das eigentliche Wesen unserer Persönlichkeit ist. Wenn Jesus uns sagt, dass wir nicht zulassen sollen, dass andere unsere Seele töten, so bezieht er sich auch darauf, dass wir unseren Glauben und unser Vertrauen in Gott nicht durch andere zerstören lassen sollen. Wir können Gott zwar nicht sehen, aber wir kennen ihn und vertrauen ihm und durch unser nicht-physisches Bewusstsein können wir ihn sogar fühlen oder wahrnehmen. Unser Glaube an Gott ist in der Tat Teil unserer bewussten Erfahrung.

Jesus erinnert uns daran, dass unser Denkvermögen ein wesentlicher Bestandteil unserer Nachfolge als seine Jünger ist. Unser Bewusstsein verleiht uns die Fähigkeit des Glaubens an den dreieinigen Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Es hilft uns, das Geschenk des Glaubens anzunehmen; dieser Glaube ist „eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“ (Hebräer 11,1). Unser Bewusstsein befähigt uns, Gott als Schöpfer zu kennen und ihm zu vertrauen, um zu „erkennen, dass die Welt durch Gottes Wort geschaffen ist, sodass alles, was man sieht, aus nichts (engl. Üs: aus nicht Sichtbarem) geworden ist“ (Hebräer 11,3). Unser Bewusstsein befähigt uns den Frieden zu erfahren, der höher ist als alle Vernunft, zu erkennen, dass Gott Liebe ist, an Jesus als Gottes Sohn zu glauben, an das ewige Leben zu glauben, wahre Freude zu kennen und zu wissen, dass wir wahrhaftig Gottes geliebte Kinder sind.

Freuen wir uns, dass Gott uns das Denkvermögen geschenkt hat, um unsere eigene Welt und ihn erkennen zu können,

Joseph Tkach

Präsident
GRACE COMMUNION INTERNATIONAL


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