Matthäus 7: Die Bergpredigt

411 matthaeus 7 die bergpredigtIn Matthäus 5 erklärt Jesus, dass wahre Gerechtigkeit aus dem Inneren kommt und eine Angelegenheit des Herzens ist – nicht einfach des Verhaltens. Im 6. Kapitel lesen wir, was Jesus zu unseren frommen Taten sagt. Sie müssen aufrichtig sein und dürfen nicht als Wohltaten dargestellt werden, um uns gut aussehen zu lassen. In den beiden Kapiteln spricht Jesus zwei Probleme an, die vorkommen, wenn man sich bei der Definition von Gerechtigkeit hauptsächlich am äusseren Verhalten orientiert. Zum einen möchte Gott nicht, dass sich nur unser äusseres Verhalten ändert und zum anderen verleitet es die Leute dazu, eine Änderung des Herzens nur vorzutäuschen. In Kapitel 7 zeigt uns Jesus ein drittes Problem, das sich ergibt, wenn das Verhalten im Vordergrund steht: Menschen, die Gerechtigkeit mit Verhalten gleichsetzen, neigen dazu, andere zu richten oder zu kritisieren.

Der Splitter im Auge des anderen

„Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“, sagte Jesus, „denn nach welchem Recht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welchem Mass ihr messt, wird euch zugemessen werden“ (Matthäus 7,1-2). Jesu Zuhörer wussten, über welche Art von Richten Jesus sprach. Sie richtete sich gegen die verurteilende Haltung der Leute, die Jesus bereits kritisiert hatten, – gegen die Heuchler, die sich auf das äussere Verhalten konzentrierten (siehe Johannes 7,49 als ein Beispiel dazu). Diejenigen, die schnell dabei sind, andere zu verurteilen und sich gegenüber anderen überlegen fühlen, werden von Gott verurteilt. Alle haben gesündigt und jeder bedarf der Barmherzigkeit. Doch einigen fällt es schwer, dies zuzugeben, und ebenso fällt es ihnen schwer, Barmherzigkeit gegenüber anderen zu üben. Deshalb warnt uns Jesus, dass die Art und Weise, wie wir andere Menschen behandeln, dazu führen kann, dass Gott uns genauso behandelt. Je mehr wir unsere eigene Bedürftigkeit nach Barmherzigkeit empfinden, desto weniger werden wir über andere richten.

Dann gibt uns Jesus eine humorvoll übertriebene Veranschaulichung dessen, was er meint: “Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?“ (Matthäus 7,3). Mit anderen Worten, wie kann man sich über die Sünde von jemanden beklagen, wenn man selbst eine Grössere begangen hat? “Oder wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen?, und siehe, ein Balken ist in deinem Auge. Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst“ (V. 4-5). Jesu Zuhörer müssen über diese karikierende Darstellung der Heuchler laut gelacht haben.

Ein Heuchler behauptet, er würde anderen helfen, ihre Sünden zu identifizieren. Er beansprucht, weise zu sein und behauptet, ein Eiferer für das Gesetz zu sein. Doch Jesus sagt, dass ein solcher Mensch nicht dazu qualifiziert ist, zu helfen. Er ist ein Heuchler, ein Schauspieler, ein Vortäuscher. Er muss erst selber die Sünde aus seinem Leben entfernen; er muss verstehen, wie gross seine eigene Sünde ist. Wie kann der Balken entfernt werden? Jesus hat das an dieser Stelle nicht erklärt, aber wir wissen aus anderen Stellen, dass Sünde nur durch Gottes Gnade entfernt werden kann. Nur wer Barmherzigkeit erfahren hat, kann anderen wirklich helfen.

“Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen“ (V. 6). Dieser Satz wird gewöhnlich dahingehend interpretiert, man solle das Evangelium auf kluge Art und Weise predigen. Das mag richtig sein, aber der Kontext hat hier nichts mit dem Evangelium zu tun. Wenn wir jedoch dieses Sprichwort im Kontext betrachten, so mag dessen Sinn eine gewisse Ironie enthalten: “Heuchler, behalte deine Perlen der Weisheit für dich selbst. Wenn du glaubst, die andere Person sei ein Sünder, verschwende deine Worte nicht an ihn, denn er wird dir nicht dankbar sein, für das, was du sagst und sich nur über dich aufregen.“ Dies wäre dann ein humorvoller Abschluss von Jesu Kernaussage: „Richtet nicht“.

Gottes gute Gaben

Jesus sprach bereits über Gebet und unseren Mangel an Glauben (Kapitel 6). Nun spricht er dieses wieder an: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan“ (V 7-9). Jesus beschreibt eine Einstellung des Vertrauens oder eine Zuversicht gegenüber Gott. Warum können wir solchen Glauben haben? Weil Gott vertrauens- würdig ist.

Dann stellt Jesus einen einfachen Vergleich an: „Wer ist unter euch Menschen, der seinem Sohn, wenn er ihn bittet um Brot, einen Stein biete? Oder, wenn er ihn bittet um einen Fisch, eine Schlange biete? Wenn nun ihr, die ihr doch böse seid, dennoch euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel Gutes geben denen, die ihn bitten!“ (V. 9-11). Wenn sogar Sünder sich um ihre Kinder kümmern, dann können wir gewiss auf Gott vertrauen, dass er sich auch um uns, seine Kinder kümmert, denn er ist vollkommen. Er wird uns mit allem Nötigen versorgen. Nicht immer bekommen wir, was wir uns wünschen und manchmal mangelt es uns besonders an Disziplin. Jesus geht jetzt nicht auf diese Dinge ein – sein Anliegen ist hier einfach, dass wir Gott vertrauen können.

Als Nächstes äussert sich Jesus zur goldenen Regel. Der Sinn ist ähnlich wie bei Vers 2. Gott wird uns so behandeln, wie wir andere behandeln, deshalb fordert er uns auf „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“ (V 12). Da Gott uns gute Dinge gibt, sollten wir anderen Gutes tun. Wenn wir freundlich behandelt werden wollen und möchten, dass im Zweifelsfall zu unseren Gunsten entschieden wird, dann müssen wir gütig gegenüber anderen sein. Wenn wir möchten, dass uns jemand hilft, wenn wir Hilfe brauchen, dann sollten wir bereit sein, auch anderen zu helfen, wenn sie Hilfe benötigen.

Über die goldene Regel sagt Jesus: „Das ist das Gesetz und die Propheten“ (V. 12). Es ist diese Vernunft-Regel, um die es wirklich in der Thora geht. All die vielen Opfer sollten uns aufzeigen, dass wir Barmherzigkeit brauchen. Alle Zivilgesetze sollten uns ein faires Verhalten gegenüber unseren Mitmenschen lehren. Die goldene Regel gibt uns eine klare Vorstellung von Gottes Lebensweife. Sie kann leicht zitiert werden, aber es ist schwierig, danach zu handeln. Deshalb beendet Jesus seine Predigt mit einigen Warnungen.

Die enge Pforte

„Geht hinein durch die enge Pforte“, rät Jesus. “Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind’s, die auf ihm hineingehen. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden!“ (V 13-14).

Der Weg des geringsten Widerstandes führt in den Untergang. Christusnachfolge ist nicht der beliebteste Weg. Ihn zu gehen bedeutet, sich selbst zu ver- leugnen, eigenständig zu denken und die Bereitschaft, im Glauben voranzugehen, auch wenn es sonst niemand tut. Wir können nicht mit der Mehrheit gehen. Wir können auch nicht eine erfolgreiche Minderheit bevorzugen, nur weil sie klein ist. Beliebtheit oder seltenes Vorkommen sind kein Massstab für die Wahrheit.

„Seht euch vor vor den falschen Propheten“, warnt Jesus. „...die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reissende Wölfe“ (V.15). Falsche Prediger vermitteln äusserlich einen guten Eindruck, aber ihre Motive sind eigennützig. Wie können wir sagen, ob sie falsch sind?

„An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.” Es mag einige Zeit dauern, aber schliesslich werden wir erkennen, ob der Prediger versucht, einen Vorteil für sich daraus zu ziehen, oder ob er wirklich anderen dient. Der Anschein kann eine Zeit lang trügen. Die Arbeiter der Sünde versuchen, wie Engel Gottes auszusehen. Selbst falsche Propheten sehen zeitweilig gut aus.

Gibt es einen schnelleren Weg, das herauszufinden? Ja, den gibt es – Jesus wird gleich anschliessend darauf eingehen. Aber vorher warnt er die falschen Propheten: “Jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen“ (V. 19).

Auf Fels bauen

Die Bergpredigt endet mit einer Herausforderung. Nachdem die Leute Jesus gehört hatten, mussten sie entscheiden, ob sie gehorsam sein wollten. „Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel“ (V. 21). Jesus deutet damit an, dass jeder ihn Herr nennen muss. Aber Worte allein reichen nicht aus.

Nicht einmal Wunder, die in Jesu Namen getan werden, sind genug: „Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder getan?

Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter!“ (V. 22-23). Hier deutet Jesus an, dass er die ganze Menschheit richten wird. Die Menschen werden sich vor ihm verantworten und es wird beschrieben, ob es für sie eine Zukunft mit oder ohne Jesus geben wird.

Wer kann gerettet werden? Lesen Sie das Gleichnis vom klugen und törichten Hausbauer: „Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie…“ Jesus setzt seine Worte auf die gleiche Stufe wie den Willen seines Vaters. Alle müssen Jesus genauso gehorchen, wie sie Gott gehorchen. Die Leute werden entsprechend ihrem Verhalten gegenüber Jesus gerichtet. Wir alle versagen und brauchen Barmherzigkeit und diese Barmherzigkeit findet sich bei Jesus.

Wer auf Jesus baut, „der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stiessen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet“ (V 24-25). Wir müssen nicht auf den Sturm warten, um zu wissen, was schliesslich dabei herauskommen wird. Wer auf schlechten Untergrund baut, wird grossen Schaden erleiden. Jeder, der versucht, sein geistliches Leben auf einen anderen Grund zu setzen als auf Jesus, baut auf Sand.

„Und es begab sich, als Jesus diese Rede vollendet hatte“, dass sich das Volk entsetzte über seine Lehre; denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten“ (V. 28-29). Mose sprach im Namen des Herrn und die Schriftgelehrten sprachen im Namen Moses. Aber Jesus ist der Herr und sprach mit eigener Autorität. Er beanspruchte, die absolute Wahrheit zu lehren, Richter der gesamten Menschheit und der Schlüssel zur Ewigkeit zu sein.

Jesus ist nicht wie die Gesetzeslehrer. Das Gesetz war nicht umfassend und Verhalten allein reicht nicht aus. Wir brauchen die Worte Jesu und er stellt die Anforderungen auf, die niemand aus eigener Kraft erfüllen kann. Wir brauchen Barmherzigkeit, mit Jesus können wir zuversichtlich sein, diese zu erhalten. Unser ewiges Leben hängt davon ab, wie wir auf Jesus reagieren.

von Michael Morrison


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