Gesetz und Gnade

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Als ich vor ein paar Wochen dem Lied von Billy Joel „State of Mind New York“ lauschte, während ich meine Online-Nachrichten durchsah, fiel mein Blick zufällig auf folgenden Artikel. Darin wird erklärt, dass der Staat New York vor kurzem ein Gesetz erlassen hatte, welches das Tätowieren und Piercen von Haustieren verbietet. Es amüsierte mich zu erfahren, dass ein Gesetz, wie dieses, notwendig ist. Anscheinend wird diese Praxis zu einem Trend. Ich bezweifle, dass viele New Yorker die Verabschiedung dieses Gesetzes zur Kenntnis nahmen, da es nur eines von vielen war, das in letzter Zeit in diesem Staat in Kraft gesetzt wurde. Von Natur aus haben Regierungen auf allen Ebenen eine gesetzliche Gesinnung. Zweifellos verabschieden sie viele neue Verbote und Gebote. Grösstenteils versuchen sie damit, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Gesetze sind manchmal einfach notwendig, weil Menschen der gesunde Menschenverstand fehlt. Wie dem auch sei, der Nachrichtensender CNN berichtete, dass in den USA im Jahr 201440.000 neue Gesetze in Kraft getreten sind.

Warum so viele Gesetze?

Vor allem deshalb, weil wir Menschen mit unseren Hang zur Sünde versuchen, Lücken in den bestehenden Regelungen zu finden. Folglich sind immer mehr Gesetze notwendig. Nur wenige wären erforderlich, wenn Gesetze in der Lage wären, Menschen vollkommen zu machen. Dem ist aber nicht so. Der Zweck des Gesetzes ist, unvollkommene Menschen in Schach zu halten und die soziale Ordnung und Harmonie zu fördern. In seinem Brief an die Gemeinde inRom schrieb Paulus in Römer 8,3 über die Grenzen des Gesetzes, das Gott Israel durch Moses gab, folgendes (Römer 8,3 GN). „Das Gesetz konnte uns Menschen kein Leben bringen, weil es gegen unsere selbstsüchtige Natur nicht ankam. Deshalb sandte Gott seinen Sohn in der leiblichen Gestalt von uns selbstsüchtigen, der Sünde verfallenen Menschen, und liess ihn sterben als Opfer für die Sündenschuld. So machte er der Sünde den Prozess eben dort, wo sie ihre Macht entfaltet hatte: In der menschlichen Natur.“

Indem sie die Einschränkungen des Gesetzes nicht verstanden, haben die religiösen Führer Israels zusätzliche Bestimmungen und Ergänzungen dem Gesetz Moses hinzugefügt. Es kam zudem Punkt, wo es fast unmöglich war, den Überblick über diese Gesetze zu behalten, geschweige denn, sie zu befolgen. Ganz gleich, wie viele Gesetze erlassen wurden, Perfektion wurde durch das Halten der Gesetze nie erreicht (und wird auch niemals erreicht werden). Und genau das war der Punkt auf den es Paulus ankam. Gott gab das Gesetz nicht, um sein Volk vollkommen (gerecht und heilig) zu machen. Nur Gott macht Menschen vollkommen, gerecht und heilig – durch Gnade. Indem ich Gesetz und Gnade gegenüberstelle, beschuldigen mich einige, Gottes Gesetz zu hassen und Antinomismus zu fördern. (Antinomismus ist der Glaube, dass man durch Gnade von der Verpflichtung, moralische Gesetze zu halten, erlöst ist). Aber nichts ist von der Wahrheit weiter entfernt. Wie ein jeder, so wünschte auch ich, dassMenschen Gesetze besser halten würden. Wer will denn überhaupt schon, dass Gesetzlosigkeit vorhanden ist? Aber wie Paulus uns daran erinnert, ist es lebensnotwendig zu verstehen, was das Gesetz bewirken kann und was nicht.In seiner Barmherzigkeit gab Gott Israel das Gesetz, das die Zehn Gebote mit einschliesst, um sie auf einen besseren Weg zu führen. Deshalb sagte Paulus in Römer 7,12 (Übersetzung NEUES LEBEN): „das Gesetz selbst aber ist heilig, und das Gebot ist heilig, gerecht und gut.“ Aber seinem Wesen nach, ist das Gesetz eingeschränkt. Es kann weder Erlösung bewirken, noch irgendjemanden von Schuld und Verdammnis befreien. Das Gesetz kann uns nicht rechtfertigen oder versöhnen, geschweige denn, heiligen und verherrlichen.

Nur Gottes Gnade kann dies durch das Versöhnungswerk Jesu und dem Heiligen Geist in uns bewirken. So wie Paulus in Galater 2,21 schrieb [GN]: „Ich weise die Gnade Gottes nicht zurück. Wenn wir vor Gott damit bestehen könnten, dass wir das Gesetz erfüllen, dann wäre ja Christus vergeblich gestorben“.

Diesbezüglich hat auch Karl Barth zu Häftlingen in einem Schweizer Gefängnis gepredigt:
„Lasst uns also hören, was die Bibel sagt und wozu wir als Christen gemeinsam geheissen sind zu hören: Aus Gnade seid ihr erlöst worden! Kein Mensch kann dies zu sich selber sagen. Ebenso wenig kann er es jemand anderen sagen. Dies kann nur Gott einem jeden von uns sagen. Es bedarf Jesus Christus, um diese Aussage wahr zu machen. Es bedarf der Apostel, um sie zu kommunizieren. Und es bedarf unser Treffen hier als Christen, um sie unter uns zu verbreiten. Deshalb ist es ehrliche Nachricht und eine ganz besondere Nachricht, die aufregendste Nachricht von allen, wie auch die hilfreichste – in der Tat die einzig hilfreiche.“

Beim Hören der guten Nachricht, dem Evangelium, befürchten manche Menschen, dass Gottes Gnade nicht funktioniert. Legalisten sorgen sich besonders darum, dass Menschen die Gnade in Zügellosigkeit verwandeln würden. Sie können die durch Jesus offenbarte Wahrheit nicht begreifen, dass unser Leben aus der Beziehung zu Gott besteht. Indem wir mit ihm zusammen dienen, wird seine Stellung als Schöpfer und Erlöser keinesfalls eigenmächtig in Frage gestellt.

Unsere Rolle ist die Gute Nachricht zu leben und weiterzugeben, Gottes Liebe zu verkünden und ein Beispiel der Dankbarkeit für Gottes Selbstoffenbarung und Eingreifen in unserem Leben zu sein. Karl Barth schrieb in „Kirchlicher Dogmatik“, dass dieser Gottes-Gehorsam in Form von Dankbarkeit beginnt: „Gnade ruft Dankbarkeit hervor, so wie ein Laut ein Echo hervorruft.“ Dankbarkeit folgt Gnade wie der Donner dem Blitz.

Barth kommentierte weiter:
„Wenn Gott liebt, enthüllt er sein innerstes Wesen in der Tatsache, dass er liebt und deshalb Gemeinschaft sucht und schafft. Dieses Sein und Tun ist göttlich und unterscheidet sich von allen anderen Liebesarten in dem Masse, dass die Liebe Gottes Gnade ist. Gnade ist die unverwechselbare Wesensart Gottes, insoweit, als sie durch seine eigene freie Liebe und Gunst Gemeinschaft sucht und schafft, ohne Vorbedingung irgendeines Verdienstes oder eines Anspruchs der Geliebten, auch nicht durch irgendwelche Unwürdigkeit oder Opposition daran gehindert, sondern im Gegenteil, um alle Unwürdigkeit und allen Widerstand zu überwinden. An diesem Unterscheidungsmerkmal erkennen wir die Göttlichkeit von Gottes Liebe.“

Ich kann mir vorstellen, dass Ihre Erfahrung sich nicht von meiner unterscheidet, wenn es um das Thema Gesetz und Gnade geht. Wie Sie, würde ich viel lieber eine Beziehung haben, die der Liebe entspringt als mit jemand, der dem Gesetz verpflichtet ist. Aufgrund von Gottes Liebe und Gnade uns gegenüber, wünschen auch wir zu lieben und ihm zu gefallen. Natürlich kann ich versuchen, ihm aus einem Pflichtgefühl heraus zu gehorchen, aber lieber würde ich, als Ausdruck einer echten Liebesbeziehung, gemeinsam mit ihm dienen.

Wenn ich so über das Leben aus Gnade nachdenke, erinnert mich dies an ein anderes Lied von Billy Joel:„Keeping the Faith“ (dt: „Den Glauben bewahren“). Wenn theologisch auch nicht präzise, bringt das Lied eine wichtige Botschaft:„Wenn die Erinnerung bleibt, ja dann bewahre ich den Glauben. Yeah, yeah, yeah, yeah. Den Glauben bewahren. Ja, ich bewahre den Glauben. Ja, das tue ich.“   

von Joseph Tkach